Feuerbestattungen auf dem Friedhof Chemnitz

Ein Blick zurück auf die Entwicklung des Chemnitzer Krematoriums und Urnenhains


1885: Eine Geschichte nimmt ihren Lauf

1885 gründete sich der Verein für Feuerbestattung in Chemnitz. Er sah sein Hauptziel darin, die Freigabe der Feuerbestattung für Sachsen zu erwirken und eine Feuerbestattungsanlage in Chemnitz entstehen zu lassen. Lange währte auch der Kampf, den der Verein für Feuerbestattung zu führen hatte, bevor endlich entschieden wurde, dass das gesetzliche Verbot der Leichenverbrennung in Sachsen auf einem Rechtsirrtum beruhte. Damit stand der Durchführung des seit 20 Jahren gehegten Planes nicht mehr im Wege.

1905: Erster Spatenstich

Nachdem der Verein Feuerbestattung das Gelände des heutigen Urnenhaines erworben hatte, konnte am 16.12.1905 der erste Spatenstich zum Bau des Krematoriums erfolgen.

Erbaut wurde das Chemnitzer Krematorium nach den Plänen der Architekten Gessler und Ribi, die das Gebäude in Anlehnung an griechische Kuppeltempel gestalteten. Die Bauausführung lag in den Händen der Baufirma Otto Stäber.

Die ursprünglich veranschlagten Baukosten von 185.000 Goldmark wurden während der Bauzeit  -und mit der Anlage des Gartens sowie der beiden Denkmale an den Seiten des Krematoriums -  weit überzogen und beliefen sich nach Fertigstellung auf ganze 239.681 Goldmark.

Die Anlage wurde zunächst mit einem Einäscherungsofen ausgestattet. Für die Unterbringung der Aschenreste stand ein den Bau umschließendes Gelände von 7.350 Quadratmetern zu Verfügung.

1906: Weihnung des Chemnitzer Krematoriums

Exakt ein Jahr nach Baubeginn fand die Weihung des Chemnitzer Krematoriums, als erstes Krematorium Sachsens, statt.

Bereits am Tage nach der Weihe, am 16. Dezember 1906, wurden mit der Verbrennung des ver- storbenen Gastwirtes Karl Hermann Abicht aus Chemnitz und Frau Henriette Minna Göhler aus Leipzig die ersten beiden Einäscherungen durchgeführt. Damit hatte, Dank der zielbewussten Arbeit des Chemnitzer Vereins, die Feuerbestattung ihren Einzug in Sachsen gehalten.

Im ersten Jahr wurden bereits 485 Einäscherungen vorgenommen.

1908: Erweiterung der Verbrennungsöfen

In weiter Vorraussicht wurde 1908 ein zweiter Ofen eingerichtet, der wie der erste mit Koksfeuerung ausgestattet war. Wie angenommen nahm die Zahl der Einäscherungen schnell zu.

1908 begannen zudem die Verhandlungen zur Übernahme der Feuerbestattungsanlage in die städtische Verwaltung, die schließlich am 30. Dezember 1909 erfolgte.

1923/ 24: Erbauung der Urnenwand

In den Jahren 1923/24 wurde südlich des Hautgebäudes ein Neubau errichtet, der neben den erforderlichen Leichenzellen einen Warteraum, einen Aufbahrungsraum und eine Anzahl weiterer Dienst- und Wirtschaftsräume enthielt.

Der nach Süden gelegene halbkreisförmige Abschluss dieses Baus wird nach außen hin als Urnenwand ausgestattet, die in verdeckten Nischen oder freistehenden Urnen für etwa 800 Aschen Platz bietet.

1945: Zerstörung des Krematoriums im 2. Weltkrieg

Neben unzähligen weiteren Gebäuden in Chemnitz, blieb auch das Krematorium während des Bombenangriffes 1945 nicht verschont. 32 Bombentrichter waren auf dem Gelände des Friedhofes und Urnenhain zu verzeichnen.

Dabei brannte die Feierhalle vollständig aus: Der Altar, das Harmonium, Stühle, die mit Bundglas versehene Kuppel, die in Blei gehaltenen Seitenfenster und die Verkleidung hinunter zur Hebebühne fielen den Flammen zum Opfer. Auch die Verbrennungsanlage fiel vollständig aus.

Das gesamte Seitengebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder, so auch die Räume, in denen die Leichen lagen. Viele Tote konnten nicht mehr identifiziert werden. Nach Aufräumungsarbeiten konnte die Verbrennungsanlage am 4. September 1945 wieder beschränkt in Betrieb genommen werden. Mehr als 2 Einäscherungen pro Tag konnten dennoch nicht stattfinden, da beide Öfen und der Rauchabzug (Fuchs) völlig durchnässt waren. Nur wenige Tage nach in Betriebnahme der Öfen mussten die Verbrennungen am 26. September 1945 erneut eingestellt werden, weil ein Arbeiten durch die Rauchgase nicht möglich war. Nur 85 Einäscherungen wurden in dieser Zeit durchgeführt.

Mit Brandholz wurden die Öfen trocken gefeuert, sodass man ab 1. November 1945 wieder mit den Einäscherungen beginnen konnte. Der starke Anfall von noch vorhandenen Leichen erforderte das Arbeiten, immer noch unter schwersten Bedingungen, in drei Schichten.

Alle Trauerfeiern mussten bis 1949 auf der Friedhofsseite stattfinden.

ab 1946: Nachkriegsjahre

Im April 1946 wurden die Wiederherstellungsarbeiten an den Nebenhallen (Leichenhallen, Aufbahrungsraum, Dienstzimmer usw.) abgeschlossen. Die Kosten für diese Arbeiten wurden aus laufenden Haushaltsmitteln bestritten.

Nach Beendigung dieser Arbeiten wurden die Redehalle (Kuppelbau) sowie deren Nebenräume, die Freitreppe, die Sargversenkungsvorrichtung u.a. wiederhergestellt. Da die Kuppel noch als festes Gefüge stand, handelte es sich hauptsächlich um Innenarbeiten. Diese Arbeiten waren sehr dringend, denn es konnten trotz betriebsfähiger Einäscherungsanlage und der instand gesetzten Nebenhallen keine Feierlichkeiten stattfinden

Der Betrieb des Krematoriums in den Nachkriegsjahren war begleitet von großen Schwierigkeiten und Einschränkungen. An allem fehlte es.

1949 - 1990: Feuerbestattung unter schlechten Bedingungen

In der Zeit der DDR wurde die Anlage nur notdürftig instand gehalten und kaum saniert. Die Einäscherung von 20-25 Leichen pro Tag war ein hoher Anspruch an die Substanz der beiden Öfen und auch die 12 vorhandenen Kühlzellen entsprachen nicht mehr den Anforderungen. Für 70 Leichen wurden daher neue Kühlzellen geschaffen. Der Rundgang zu den Leichenzellen war offen und wurde behelfsmäßig geschlossen, um vor Witterung und im Sommer gegen Fliegenplage Abhilfe zu schaffen.

Anfang der siebziger Jahre wurde angebaut, um einmal einen dritten Ofen unterzubringen. Ein dritter Einäscherungsofen wäre längst erforderlich gewesen.

1986 wurde der Abzug zur Gefahr. Der Innenschornstein musste stillgelegt werden und ein neben dem Gebäude hochragender metallener Rohrschlot wurde provisorisch errichtet. Eine generelle Gebäudesanierung und Erneuerung der technischen Anlage 1990 war unumgänglich.

1991: Grundsanierung des Krematoriums

Am 10. März 1991 begannen die lange fälligen Sanierungs- und Neubauarbeiten unter denkmalpflegerischen Aspekten. So wurde u.a. eine unterirdische Feuerbestattungsanlage geschaffen, um die Architektur des Gebäudes zu erhalten.

Das gesamte Bauvorhaben machte ca. 33 Mio. DM erforderlich.

heute: modernes Krematorim in drei Ebenen

Über 40% des Gebäudes und technische Anlagen befinden sich unter Geländeniveau. Das Krematorium Chemnitz verfügt heute über vier vollautomatisch gesteuerte Einäscherungsöfen, die den Umweltanforderungen gerecht werden. Jährlich sind bis 8.000 Einäscherungen möglich. Es stehen über 100 Kühlzellen und weitere Kühlstellplätze zur Verfügung.

Neben der Feierhalle Krematorium mit ca. 100 Sitzplätzen und einer 17-Register-Jehmlich-Orgel steht ein Abschiedsraum für Stille Beisetzungen zur Verfügung. Außerdem sind neben den Betriebs- und Sanitärräumen insbesondere Räumlichkeiten für Heimbürgen, Floristen sowie für gerichtsmedizinische Untersuchungen vorhanden.

Die neue Gesamtanlage lässt sich in drei Ebenen einteilen: So befindet sich über dem Geländeniveau die festliche Feierhalle des Hauptgebäudes. In der mittigen Ebene sind die ebeneerdige Sargannahme, die gerichtsmedizinische Untersuchungsstelle des Gesundheitsamtes sowie das öffentliche Kolumbarium mit Räumlichkeiten zur stillen Abschiedsnahme im Familienkreis verortet. Unterirdisch sind unter dem Hauptgebäude die Kühlräume und angrenzende Verbindungsbauten mit Aufzugsbereichen. Nach Süden hin eröffnen sich nach unten die zweigeschossigen Räumlichkeiten der neuen Kremationsanlage, von denen über Gelände nur die Glaspyramiden der Flucht- und Lichtschächte sowie die Schornsteingruppe sichtbar sind.

Das Hauptgebäude ist saniert und wird weiter gekrönt von einer der ersten Eisenbetonkuppeln Sachsens. Der ehemalige Schornstein, der sich im südwestlichen Eckpfeiler des Hauptgebäudes befindet und sich mittels einer schamotteausgekleideten Blechkonstruktion frei im Bereich der Kuppel bis zu ihrem mittigen Aufsatz verzieht, konnte als technisches Denkmal erhalten bleiben. Selbst der alte Essenkopf hat seinen rußgeschwärzten Schlussstein behalten.